Zwischen Förderlogik und Wirtschaftlichkeit
Das KfW-Fördersystem ist aus der Unternehmensfinanzierung in Deutschland nicht wegzudenken. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen stellt es ein zentrales Instrument zur Kapitalbeschaffung dar. Umso überraschender ist es für viele Unternehmer, wenn die eigene Bank in einem Finanzierungsprozess nicht auf das scheinbar naheliegende KfW-Darlehen zurückgreift, sondern stattdessen ein klassisches Hausbankdarlehen anbietet. Der erste Reflex vieler Unternehmer lautet dann: „Die Bank will nur mehr Marge machen.“ Doch dieser Vorwurf greift zu kurz. Die Realität ist komplexer – und spricht in vielen Fällen sogar für eine besonders vorausschauende und professionelle Herangehensweise seitens der Bank.
KfW-Hausbankprinzip: Doppelter Prüfprozess, hoher Aufwand
Die Struktur der KfW-Förderdarlehen basiert auf dem sogenannten Hausbankprinzip: Der Kunde stellt den Antrag bei seiner Hausbank, diese prüft das Vorhaben umfassend, erstellt ein Rating, bewertet die Kapitaldienstfähigkeit und reicht – bei positiver Einschätzung – den Antrag an die KfW weiter. Die KfW führt anschließend eine eigene Prüfung durch. Dieser zweistufige Prüfprozess ist sinnvoll zur Risikostreuung und Qualitätssicherung, bringt aber auch einen nicht unerheblichen administrativen Mehraufwand mit sich.
Gerade bei kleineren Volumina bis etwa 100.000 €, bei kurzen Laufzeiten oder bei unternehmerischen Vorhaben, die aufgrund ihrer Dynamik ein schnelles Handeln erfordern, stellt sich die Frage: Ist dieser Aufwand verhältnismäßig?
Auswirkungen auf die Bilanz und das Risikomanagement der Bank
Ein entscheidender Punkt in der internen Kreditentscheidung betrifft die bilanziellen und aufsichtsrechtlichen Auswirkungen für die Bank. KfW-Darlehen mit Haftungsfreistellung (z. B. 80 %) entlasten die Bank bei der Eigenkapitalunterlegung: Nur ein Teil des Kreditvolumens ist mit Eigenmitteln zu hinterlegen. Das kann insbesondere in stark ausgereizten Risikopositionen oder bei Banken mit engem Eigenkapitalrahmen attraktiv sein.
Im Gegensatz dazu müssen Hausbankdarlehen in voller Höhe bilanziert und mit Eigenkapital unterlegt werden. Der Risikogewichtungsfaktor nach Basel III/IV liegt bei 100 %, sofern keine Sicherheiten oder Fördermechanismen greifen. Doch Eigenkapitalunterlegung ist nicht gleichbedeutend mit „schlechter für die Bank“. Denn Eigenkapital kostet die Bank zwar Geld, eröffnet ihr aber auch höhere Ertragspotenziale, da die gesamte Kreditmarge bei ihr verbleibt und keine Durchleitungsgebühren oder Förderlogiken greifen.
Der Marge-Vorwurf – einseitig gedacht
Ein häufig geäußerter Vorwurf lautet, die Bank wolle nur ein klassisches Darlehen vergeben, um eine höhere Marge zu erzielen. Dieser Gedanke ist zwar nachvollziehbar, in der Praxis jedoch zu pauschal. Banken agieren – wie jedes privatwirtschaftliche Unternehmen – betriebswirtschaftlich. Eine höhere Marge allein ist aber kein hinreichender Grund, auf eine KfW-Finanzierung zu verzichten.
Denn: Die operative Belastung durch einen KfW-Antrag ist erheblich. Interne Abstimmungen, die Betreuung der Förderdatenbank, zusätzliche Dokumentationspflichten, oft lange Durchlaufzeiten, aufwändige Abstimmungen mit dem Kunden und der KfW – all das bindet Ressourcen. Besonders bei kleinen Volumina kann das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Aufwand und Marge kippen. Wenn eine Bank also zugunsten eines Hausbankdarlehens entscheidet, liegt das nicht primär am Margeninteresse, sondern meist an einer Risiko-Nutzen-Abwägung. Nicht zuletzt spielt auch die strategische Beziehung zum Kunden eine Rolle: Langfristig angelegte Finanzierungen mit dem Ziel, Folgegeschäfte zu generieren, sind für Banken oftmals wichtiger als kurzfristige Erträge aus einer einzelnen Finanzierung.
Haftung und Risiko: Für den Unternehmer kein Unterschied
Ein weiterer Irrtum besteht in der Annahme, ein Hausbankdarlehen sei für den Unternehmer mit einem höheren Risiko verbunden. Das ist in der Regel nicht der Fall. Denn unabhängig davon, ob es sich um ein KfW-Darlehen oder ein Hausbankdarlehen handelt: Der Kreditnehmer haftet stets in voller Höhe für das Darlehen. Die Haftungsfreistellung bei einem KfW-Darlehen betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen KfW und durchleitender Bank. Für den Unternehmer hat dies keine unmittelbare Auswirkung. Die persönliche Haftung bleibt identisch – und auch die Sicherheitenforderungen unterscheiden sich in der Praxis oft kaum.
Besonders bei dynamischen Unternehmen: Das langfristige Denken der Bank
Ein Aspekt, der in der Diskussion oft zu kurz kommt, ist das langfristige Denken vieler Banken – insbesondere bei wachsenden oder besonders aktiven Unternehmen. In solchen Fällen kann ein Hausbankdarlehen sogar der bessere Weg sein. Warum?
Weil es deutlich flexibler strukturiert werden kann, schneller verfügbar ist und individuelle Anpassungen – etwa Sondertilgungen, Tilgungsaussetzungen oder variable Zinssätze – ohne Rücksprache mit einem Dritten (wie der KfW) umgesetzt werden können. Banken, die ihre Kunden gut kennen und deren Entwicklungspotenzial richtig einschätzen, greifen daher bei dynamischen Wachstumsunternehmen mitunter bewusst zum Hausbankdarlehen, um Handlungsspielräume zu erhalten und gemeinsam mit dem Kunden zu wachsen.
Auch ist zu beachten: Ein bestehendes, ordnungsgemäß getilgtes Hausbankdarlehen verbessert das interne Rating des Unternehmens. Denn es zeigt der Bank, dass der Kunde kapitaldienstfähig, verlässlich und planungssicher ist – was wiederum spätere, größere Finanzierungen erleichtern kann.
Beihilferechtlich sinnvolle Steuerung: De-minimis und strategische Fördernutzung
Ein häufig übersehener Punkt betrifft das EU-Beihilferecht – insbesondere die De-minimis-Verordnung. Diese limitiert die Förderhöhe auf maximal 300.000 € innerhalb von drei Steuerjahren. Die Inanspruchnahme eines KfW-Darlehens kann dieses Kontingent belasten. Strategisch denkende Banken und Berater prüfen daher im Einzelfall: Ist es sinnvoll, das De-minimis-Kontingent bereits jetzt teilweise aufzubrauchen – oder sollte man es für ein späteres, ggf. noch bedeutsameres Förderprogramm reservieren (z. B. Innovationsgutschein, Invest-Zuschuss etc.)?
Diese Form der vorausschauenden Fördermittelplanung ist keinesfalls trivial – und spricht vielmehr für hohe Beratungskompetenz.
Prozess- und Ressourcenrisiken in der Förderdarlehensbeantragung
KfW-Anträge sind nicht nur formal anspruchsvoll, sie bergen auch Risiken hinsichtlich Zeitverzug, Frustration und Opportunitätskosten. Ein nicht optimal aufbereiteter Antrag kann durch Rückfragen, Korrekturen oder Ablehnungen zu Verzögerungen führen, die unternehmerische Vorhaben gefährden. In dieser Hinsicht ist das klassische Hausbankdarlehen oft das risikoärmere und planungssicherere Instrument – insbesondere dann, wenn die Bank ohnehin zu einer positiven Entscheidung bereit ist.
Kein KfW-Darlehen – kein schlechtes Zeichen
Wenn die Hausbank auf ein KfW-Darlehen verzichtet und stattdessen ein klassisches Hausbankdarlehen anbietet, ist das kein Indiz für schlechte Beratung. Vielmehr ist es häufig das Ergebnis einer differenzierten, professionellen Analyse, die alle relevanten Parameter berücksichtigt: bilanzielle Auswirkungen, regulatorische Rahmenbedingungen, Fördermittelstrategien, Kundenbeziehung, unternehmerische Dynamik, Liquiditätsbedarf, Prozesskosten und die betriebswirtschaftliche Gesamtrechnung.
Banken handeln dabei nicht aus reiner Gewinnabsicht, sondern auf Basis wirtschaftlicher Vernunft – auch im Interesse des Kunden. Und sie dürfen das: Eine Bank ist ein Unternehmen, das mit knappen Ressourcen operiert, regulatorischen Anforderungen unterliegt und zugleich den individuellen Bedarf ihrer Kunden abdecken will. Dass sie dabei mitdenkt, abwägt und manchmal eigene Wege geht, ist kein Mangel – sondern ein Qualitätsmerkmal.
Für Unternehmer bedeutet das: Statt pauschal die Förderlogik einzufordern, lohnt es sich, in den Dialog zu treten und zu verstehen, warum ein bestimmter Weg gewählt wurde. Denn in vielen Fällen ist der Verzicht auf die KfW nicht der Ausdruck fehlender Beratung – sondern gelebte Finanzarchitektur auf hohem Niveau.