Erhöhung der Liquidität auch 2023 notwendig
Corona, dann der Krieg und nun die ersten Banken, die Probleme haben. In der Bankenwelt wird bereits über schärfere Kreditvergabeprozesse diskutiert. Die Lieferketten sind heutzutage nicht stabil, immer wieder gibt es Lieferengpässe, die das Business im besten Fall nur ausbremsen und im schlimmsten Fall sogar für eine Schieflage sorgen.
In der Vergangenheit haben viele Unternehmen mit der Faustformel „10% vom Umsatz“ muss an Liquidität vorhanden sein, gearbeitet. Nicht selten haben die Banken diesen Wert für die KK-Linie angesetzt, aber reichen heute noch 10%?
Eine höhere Liquidität und somit auch mehr Handlungsspielraum für das tägliche Business sind unerlässlich und werden in den nächsten Jahren weiterhin zunehmen. Die Motivation „Druck“ bewegt Unternehmen zum Sparen oder sogar zu dem Aufschieben von Investitionen. Dieser Ansatz kann jedoch der Anfang vom Ende sein.
Wie so häufig im Business, kommt es auf den Mix an. Auch in diesem Bereich sollten die Unternehmen mehrere Stellschrauben bedienen und dazu gehört auch die Unternehmensfinanzierung bzw. die Betriebsmittelfinanzierung.
Cash ist King bzw. Liquidität vor Rentabilität; dieser Hinweis sollte auf jeder Gewerbeanmeldung und auf jedem Steuerbescheid stehen.
Markus Hemmelmann
Welche Möglichkeiten hat ein Startup, junges Unternehmen und etabliertes Unternehmen, um die Liquidität durch Fremdkapital zu erhöhen?
Grundsätzlich haben die Unternehmen auch im Jahr 2023 gute Chancen auf eine Betriebsmittelfinanzierung. Es ist dabei jedoch zu beachten, dass die Betriebsmittelfinanzierung im Gegensatz zur Investitionsfinanzierung ein größeres Risiko für die Bank darstellt. Das Stellen von Sicherheiten bzw. Ersatzsicherheiten ist daher sinnvoll oder sogar Pflicht.
Neben den klassischen Bankfinanzierungen für die Betriebsmittelfinanzierungen bietet der Markt noch diverse andere Finanzierungsprodukte an. Diese sind…
- Finetrading
- Factoring
- Bürgschaftslösungen
- Mezzaninekapital
- Business Angel
- Wandeldarlehen
- Umsatzfinanzierung – Revenue Based Financing
- Mikrodarlehen
- Mitarbeiterbeteiligung
Einer der häufigsten Finanzierungsinstrumente ist das Factoring. Hierbei verkauft der Unternehmer seine Forderung an eine Factoringgesellschaft, die die Forderung binnen 24 bzw. 48 Stunden bezahlt. Factoring wirkt kurzfristig ist jedoch eine kostenintensive Form. Zudem häufig nicht das Problem, denn wenn die Debitorenlaufzeit nicht extrem hoch ist, besteht in der Regel das Problem in der Beschaffung und deren Finanzierung. Finetrading oder Reverse Factoring wären folglich die bessere Wahl, denn damit kann das Unternehmen die Wareneinkäufe finanzieren. Aber auch das ist sehr kostenintensiv, so dass häufig eine klassische Betriebsmittelfinanzierung in Kombination mit Bürgschaften und Warenkreditversicherungen die bessere Wahl ist.
Die klassische Betriebsmittelfinanzierung über die Bank
Betriebsmittelfinanzierungen sind über die klassischen Banken zu beantragen. Fintechs und Neobanken schaffen es aktuell nicht, so dass jedem klar sein sollte, dass diese Banken nur eine Ergänzung zu den klassischen Banken darstellt.
Wer eine Betriebsmittelfinanzierung anstrebt, muss das Finanzierungsvolumen berechnen. Diese Bedarfsermittlung erfolgt üblicherweise mittels Liquiditätsplanung für die kommenden 36 Monate. Hierbei ist eine konservative Planung anzusetzen und die Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln.
Nachdem die benötigte Summe feststeht, sollte das Unternehmen ermitteln, ob die Kapitaldienstfähigkeit vorhanden ist. Optimal ist es, wenn das Unternehmen mit dem neuen Darlehen eine Auslastung der Kapitaldienstquote von max. 60% hat.
Im nächsten Schritt muss die Sicherheitenstruktur betrachtet werden. Sollte eine gute Ratingnote vorliegen, dann wird die Bank einen Teil ohne Sicherheiten finanzieren. Gerade bei neuen Bankbeziehungen und / oder nicht so guten Ratingnoten nimmt die Bereitschaft ab. Genau an diesem Punkt haben Unternehmen (von Startup bis zum etablierten KMU) die Möglichkeiten, öffentliche Finanzierungsinstrumente in Anspruch zu nehmen.
Ganz gleich, ob die KfW oder eine andere Landesbank angestrebt werden, der Weg geht in der Regel über die Hausbank.
Öffentliche Finanzierungsinstrumente wie z.B. das KfW ERP StartGeld, Programm 067, oder auch der ERP Förderkredit KMU, Programm 365, 366, beinhalten eine Haftungsfreistellung für die durchleitende Bank.
Mit anderen Worten, die durchleitende Bank (in diesem Fall die Hausbank), hat nur ein geringes Risiko, nämlich 20% oder 50% (je nach Kredit). Mit der Betriebsmittelfinanzierung der KfW kann das Unternehmen anschließend machen, was es will. Ein Verwendungsnachweis muss nicht erbracht werden, jedoch sind die Bedingungen der KfW einzuhalten. KfW Darlehen klingen äußerst positiv, jedoch passen diese nicht zu jedem Unternehmen. Wird zum Beispiel das Unternehmen verkauft, werden die Darlehen sehr häufig fällig gestellt. Auch Änderungen aufgrund von Marktveränderungen sind nicht möglich, die KfW ist sehr starr und nicht selten finanzieren Unternehmen ein KfW Darlehen gegen.
Wer jedoch eine hohe Planungssicherheit und wenig Wachstum generieren wird, für den ist die KfW Lösung eine sehr gute Wahl.
Bei allen anderen Vorhaben sollte jedes Unternehmen die Inanspruchnahme einer Landesbürgschaft prüfen. Diese Landesbürgschaft gibt es häufig sogar als Expressbürgschaft und kann binnen weniger Tage entschieden werden. Bei der Landesbürgschaft bürgt das Land für die Finanzierung, so dass die Bank eine hohe Sicherheit für die Betriebsmittelfinanzierung hat. Der Vorteil bei dieser Lösung liegt in der Flexibilität. Die Betriebsmittelfinanzierung mit Hilfe von Landesbürgschaften sorgt dafür, dass das Unternehmen die Darlehensbedingungen mit der Bank frei verhandeln kann. Laufzeit, Tilgungsaussetzungen, Sondertilgungen etc. sind alle möglich, sogar Nachverhandlungen bei Marktveränderungen.
Die Betriebsmittelfinanzierung sollte daher gut überlegt und vor allem gut vorbereitet sein. Ein falsches Finanzierungsinstrument kann in den Folgejahren zu Kopfschmerzen führen.
So gelingt die Betriebsmittelfinanzierung über die Bank
- korrekte Ermittlung des Kapitalbedarfs mit Hilfe einer Liquiditätsplanung
- strategische Planung der kommenden 5 Jahre zwecks Auswahl des Finanzierungsprodukts
- Auswahl der korrekten Bank – nicht jede Bank macht jedes Finanzierungsinstrument; z.B. ERP StartGeld wird von der Commerzbank, Postbank und Deutschen Bank eher selten bis überhaupt nicht gemacht
- korrekte Bewertung der Sicherheiten und Nutzung der Ersatzsicherheiten wie zum Beispiel die Bürgschaftsbank
- Erstellung aller Unterlagen
- rechtzeitige Kommunikation mit dem Sicherheitengeber / Bank
10% war gestern, heute sollte jedes Unternehmen min. 15% vorweisen können
Die oben genannte Faustformel von 10% halten wir für überholt. Natürlich gibt es in den einzelnen Bereichen Unterschiede, jedoch klagen nahezu alle Branchen zumindest über eine neue Herausforderung. Es kann der Personalmangel mit einhergehender Stagnation / Rückgang, Absatzschwäche, erschwerte Materialbeschaffung, längere Zahlungsziele… sein. Sollte eine Pauschalisierung zutreffend sein (aus unserer Sicht max. ein erster Indikator), dann muss diese Pauschalisierung um 50% erhöht werden. Sprich statt der 10% sollte nun jedes Unternehmen 15% des Jahresumsatzes an freie Liquidität haben.
Wer in diesen Zeiten nicht reagiert und hofft, dass es sich irgendwie regelt, der geht ein hohes Risiko und muss ggf. eine Fortführungsprognose vorweisen, wenn die Liquidität irgendwann nicht mehr passt. Rechtzeitiges Handeln ist angesagt und häufig die Ursache, warum Betriebsmittelfinanzierungen nicht funktionieren, da es zu spät angegangen wird.
Fragen zum Thema Betriebsmittelfinanzierung beantworten wir gerne.