Unternehmensbewertung ist kein Glücksspiel – mit der richtigen Methode zur Unternehmensfinanzierung
Allgemeines
Startups sind Unternehmen, die auf eine innovative Geschäftsidee basierend gegründet werden. Jedes Startup hat seinen Wert. Diese Wertermittlung kann durch verschiedene Methoden ermittelt werden. Die Anwendung der klassischen Methoden wie das Discounted-Cash-Flow-Verfahren, das Multiplikatoren-Verfahren oder Benchmarketing sind jedoch nicht geeignet bzw. nur bedingt geeignet, da insbesondere in den frühen Startup-Phasen, in denen das Proof of Concept noch fehlt oder in den Preseed und Early-Stage Phasen vieles noch auf unbestätigte Annahmen beruht.
Eine der einfachen und unkomplizierten Methode ist die Venture Capital-Methode, dabei wird jedoch der Wert ebenfalls auf Grundlage einer Annahme ermittelt und wird im folgenden Beitrag näher erläutert.
Wofür brauche ich eine Unternehmensbewertung?
Unternehmensbewertungen sind immer dann von Bedeutung, wenn man Anteile oder im Ganzen ein Unternehmen verkaufen möchte. Auch in der Finanzkommunikation kann die Entwicklung eines Unternehmenswertes eingesetzt werden und somit die Chancen auf eine erfolgreiche Unternehmensfinanzierung erhöhen.
Neben den klassischen Gründerkrediten, wie zum Beispiel das Kfw StartGeld, streben innovative Gründer häufig venture capital bei der Unternehmensfinanzierung an. Sobald Anteile vom Unternehmen verkauft werden sollen, ist die Grundlage, der Wert der gesamten Unternehmung. Erst wenn dieser Wert ermittelt worden ist, kann gesagt werden, welche Summe für welche Anteile angeboten werden.
Venture Capital bekommt man nicht für Zinsen, diese Finanzierungsform nennt man Mezzanine Kapital, Nachrangdarlehen etc. Beim Venture Capital zielt der Investor auf einen enormen Anstieg des Unternehmenswertes und somit auf einen hohen Profit bei dem sogenannten Exit (Ausstieg aus dem Unternehmen).
Welche Methode kann ich nutzen?
Es gibt diverse Ansätze, wie man einen Unternehmenswert ermitteln kann. Wir möchten hier auf ein stark vereinfachtes Verfahren für Startups eingehen. Es kann zur Ermittlung genutzt werden, man entwickelt aber auch ein Gespür für den VC-Markt bzw. sogar für das Thema Unternehmensfinanzierung.
Die Venture Capital Methode, auch VC-Methode genannt, wurde erstmals vom Professor William A. Sahlman im Jahr 1987 an der Harvard Business School beschrieben. Sie ist eine Methode zur Ermittlung des Wertes eines Startups vor dem Einstieg eines Venture Capital Investors. Der Unternehmenswert wird auf Basis des Liquiditätsergebnisses, aus Sicht des Investors beim geplanten Exit, ermittelt. Dabei wird der aktuelle Unternehmenswert vom erwarteten Exiterlös bei einem Verkauf oder Börsengang zurück gerechnet. Ein Grundsätzliches Ziel der Methode lag in der Einfachheit.
Der erwartete Erlös ist abhängig von der Rendite, die sich die Investoren für die Zeitspanne zwischen dem Einstieg und der Veräußerung erhoffen, dabei streben sie eine Renditehöhe an, die der Höhe des Risikos, die die Investoren mit ihrer Investition eingehen, entspricht.
In der early stage Phase gibt es viele Risiken für Investoren. Es ist nicht selten, dass 9 von 10 Investments mit einem Totalverlust enden. Das eine Startup muss dementsprechend die 9 anderen Flops refinanzieren, sowie die Kosten des Venture Capital Gebers und eine entsprechende Rendite erwirtschaften.
Markus Hemmelmann – HEMMELMANN CONSULTING
Unter Verwendung des relevanten Zeitrahmens bei der Diskontierung eines dem Unternehmen zurechenbaren zukünftigen Wertes wird bei der VC-Methode die erwartete Rendite berücksichtigt. Dabei liegt die erwartete Rendite, die sogenannte Internal Rate of Return (IRR), in Abhängigkeit von der Risikoeinschätzung des Investors, meistens zwischen 25-100 % (je nach Phase, in der der Investor einsteigt).
Bei der Bewertung eines Startups wird im ersten Schritt der Umsatz oder der Gewinn vor Steuern und die Zinsen für den Zeitpunkt des Exits in 3,5 oder 7 Jahren geschätzt, je nachdem, wann der Exit erwartet wird.
Die Finanzplanung muss dabei nachvollziehbar und plausibel sein. Jeder Wert in der Finanzplanung muss auf Argumenten basieren, warum dieser Wert angenommen worden ist. Wer seine Zahlen nicht mit Argumenten untermauern kann, hat nichts anderes als eine unsubstantiierte Zahl und somit kein Investmentszenario.
Aus der Finanzplanung, die übrigens auch immer Teil der Businessplanerstellung ist, kann der Unternehmenswert für den Exit-Zeitpunkt abgeleitet werden. Zusätzlich wird der prognostizierte Umsatz oder Gewinn zu aktuellen und bekannten Umsätzen von vergleichbaren Unternehmen, die in Größe und Branche dem Unternehmen entsprechen, in Relation gesetzt.
Anhand eines branchenüblichen Multiplikators erfolgt dann die Berechnung für den Umsatz oder den Gewinn. Dieser erwartete Wert bildet die Grundlage für die im weiteren Schritt durchgeführte Diskontierung. Durch die Diskontierung wird der aktuelle Wert des jungen Unternehmens zum Zeitpunkt der Investition ermittelt. Dazu wird ein Zinssatz verwendet, der in seiner Höhe der Renditeerwartung, dem erwarteten ROI des VC Investors entspricht.
In den frühen Phasen, wie z.B. bei Early-Stage Investments, des Startups rechnen die VC Investoren aufgrund des hohen Risikos mit einem ROI von min. 50% jährlich.
In späteren Startup-Phasen sinken die erwarteten Renditen aufgrund des im Laufe der Zeit geringer werdenden Investitionsrisikos.
Im letzten Schritt wird der Pre-Money-Wert ermittelt, der zur Bestimmung der Anteilshöhe dient, die ein VC-Investor für sein investiertes Kapital erhält.
Das investierte Kapital wird zum Pre-Money-Wert addiert. Daraus ergibt sich der sog. Post-Money-Wert, dies entspricht dem Betrag, den das Startup nach Abschluss der Finanzierung haben wird. Durch eine einfache Division des neuen Kapitals durch den Post-Money-Value des Startups, kann die Höhe des Anteils, den der Investor für sein eingesetztes Kapital erhält, berechnet werden.
Vereinfacht ausgedrückt: je größer die Eintrittswahrscheinlichkeit der Finanzplanung ist, desto höher der Wert des Unternehmens und so geringer der Anteil des Investors. Eine Idee ist hierbei grundsätzlich nur eine Idee und stellt noch keinen Wert dar.
Beispiel einer VC-Methode
Im Folgenden wird ein vereinfachtes Beispiel einer Unternehmensbewertung nach der VC-Methode anhand eines fiktiven Startups aus der Tech-Branche ermittelt.
Der Liquiditätsbedarf des Startups, die Renditeerwartung des Investors und der Zeitraum von der Investition bis zum Exit sind relevante Größen.
Das fiktive Unternehmen hat einen aktuellen Liquiditätsbedarf von 4 Millionen Euro. Dieses Startup erwartet in 5 Jahren einen Umsatz von 60 Millionen Euro und einen Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) in Höhe von 5 Millionen Euro. Dabei beträgt in der Tech-Branche der übliche Multiplikator zur Berechnung des zukünftigen Unternehmenswertes 5-7x der Gewinn vor Steuern und Zinsen.
Aufgrund des hohen Investitionsrisikos erwartet der VC Investor für seine Investition eine Rendite von 20%. Somit ergibt sich zum Zeitpunkt des Exits in 5 Jahren ein zukünftiger Unternehmenswert von 180 Millionen.
EBIT x EBIT-Multiplikator = Exiterlös => 5 Mio. Euro x 10 = 50 Millionen Euro.
Diese 50 Millionen sind der prognostizierte Unternehmenswert des Startups zum Zeitpunkt des Exits.
Der zukünftige Investmentwert berechnet sich anschließend wie folgt:
Liquiditätsbedarf x Renditeerwartung des Investors = künftiger Wert der Investition
=> 4 Mio. Euro x 1,20⁵= 9,95 Mio. Euro.
Dies bedeutet, dass der Investor für seine Investition in Höhe von 4 Mio. Euro nach 5 Jahren einen Betrag von 9,95 Mio. Euro erhalten wird.
Anhand dieses Wertes wird die Höhe der Beteiligung im Verhältnis zum Exiterlös berechnet.
Dies entspricht 19,90%.
(künftiger Wert der Investition x 100) / Exiterlös = Höhe der Beteiligung des Investors
=> (9,95 Mio. Euro x 100) / 50 Mio. Euro = 19,90 %.
Somit beträgt die Investition ca. 19,90% des zukünftigen erwarteten Unternehmenswertes von 50 Mio. Euro. Die Höhe der Beteiligung dient anschließend zur Berechnung des Post-Money- Wertes und ergibt in dem Beispiel ca. 5,63 Mio. Euro.
(Liquiditätsbedarf/ Höhe der Beteiligung) x 100 = Post-Money-Value
(4 Mio. Euro / 19,9 %) x 100 = ca. 20,10 Mio. Euro.
Nach Abzug des Investitionsbetrages von 4 Mio. Euro vom Post-Money-Value des Startups, ergibt sich ein Pre-Money-Value von rund 16,1 Mio. Euro.
Die VC-Methode hat den Vorteil, dass sie einfach anzuwenden ist, dabei reicht eine Excel-Tabelle für die Berechnung aus. Somit wird der ungefähre Wert des Unternehmens aus Sicht der VC-Investoren ermittelt. Jedoch ist diese Einfachheit mit bedeutenden Ungenauigkeiten bei der Wertermittlung verbunden.
Der Startup-Inhaber muss geeignete Unternehmen finden, deren Geschäftsmodell, Größe und Risikoprofil dem Unternehmen entsprechen, um einen Vergleich machen zu können.
Da sich die Capital Venture Methode in der Regel nur auf Kennzahlen wie Umsatz, Gewinn vor Steuern oder Nutzerzahl bezieht, ist dies ein weiterer Nachteil, denn dadurch sind die der Berechnung zugrungegelegten Annahmen deutlich dehnbar.
Darüber hinaus ist ein grundlegender Nachteil dieser Methode, dass zum Zeitpunkt des Exits geschätztem Umsatz in Relation zu einem aktuellen Vergleichswert eines vergleichbaren Unternehmens gesetzt wird. Das bedeutet, dass das Ergebnis der Venture Capital Methode in hohem Maße von der aktuellen Bewertung von Vergleichsunternehmen abhängig ist. Auch der pauschale Diskontierungssatz, mit dem der zukünftige Unternehmenswert abgezinst wird, ergibt einen Nachteil. Aufgrund der pauschalen Diskontierung ist es nicht zu differenzieren, wie hoch das tatsächliche Risiko ist bzw. warum sich das Geschäftsmodell nicht durchsetzen wird oder was für Auswirkungen es haben kann, wenn einer der Gründer das Startup frühzeitig verlässt.
Andere mögliche Auswirkungen von nicht vorhersehbaren Konjunkturkrisen oder von anderen Einflüssen wie Pandemie werden nicht berücksichtigt.
Die Einfachheit der VC-Methode ist mit Unsicherheiten verbunden, daher sollte bei der Anwendung der VC-Methode, um den Wert des Unternehmens zu ermitteln, realistische Werte angesetzt werden. Inhaber werden immer viele Argumente haben, die für ein rasantes Wachstum des Startups sprechen, jedoch werden potenzielle Investoren im Gegensatz dazu immer Gründe finden, warum dies nicht der Fall sein wird und die Prognosen zu optimistisch seien.
Die VC-Investoren werden mit Sicherheit andere, für sie günstigere Zahlen vorlegen das bedeutet, dass der Inhaber die potenziellen Kapitalgeber mit stichhaltigen Argumenten von seiner Version überzeugen muss.
Fazit
Die VC-Methode ist eine Möglichkeit, den Unternehmenswert eines Startups zu berechnen. Hierzu bedarf es kein Mathe Studium, sondern wenige verständliche Formeln. Wie auch bei der Bankfinanzierung kommt es aber immer auf die Plausibilität an. Kostenstrukturen kann man sehr gut mit Hilfe von Angeboten argumentieren, ebenso gibt es eine Vielzahl an Vergleichswerten von Online Marketingstrategien. Schwieriger wird es bei der Umsatzplanung, denn eine Absatzschwäche kann niemals ausgeschlossen werden. In diesem Bereich sollte das Unternehmen den Markt und das entsprechende Volumen sehr genau kennen. Ebenso ist es empfehlenswert, den Kundennutzen herauszustellen und zu ermitteln, ob neben dem Bedarf auch das Bedürfnis besteht.
Diese Vorgehensweise bei der VC-Methode ist auch die Aufgabe in der Businessplanerstellung und wird auch in einem Bankgespräch abgefragt. Hierzu sind wir bereits in unserem Blogbeitrag zum Thema “Die 5 Fragen der Bank in einem Finanzierungsgespräch” eingegangen.
Wer glaubt, dass alles nur ein Lotteriespiel ist, der hat nur bedingt Recht. Investoren, Berater und auch Startups bekommen mit jedem Finanzierungsgespräch ein immer besseres Gefühl dafür. Kapitalsuchende, die derartige Vorgehensweisen als “Glücksspiel” bezeichnen, zeigen mit der Aussage bereits das fehlende Wissen über das Thema Unternehmensfinanzierung / Startup Finanzierung.
Wer eine Bewertung seines Startups einmal vornehmen möchte, kann hier unser Excel Tool dazu downloaden. Excel-Tool VC Methode