Killer Nr. 1 die Verkaufsfähigkeit des Unternehmens
In Deutschland werden aktuell über die Plattform nexxt change 5.165 Unternehmen zum Verkauf angeboten und nur 1.545 Personen / Unternehmen suchen ein Übernahmeobjekt (Stand 02.05.2022). Es herrscht folglich eine Dysbalance zwischen Angebot und Nachfrage. Einige Branchen sind hierbei sehr stark betroffen, wie u.a. das Handwerk. Ursache dieser Umstände sind mit Sicherheit vielfältig, jedoch ist die Verkaufsfähigkeit eines Unternehmens mit Sicherheit eines der größten Probleme bei einer geplanten M&A Transaktion. Eine nicht ausreichende Verkaufsfähigkeit bedeutet zugleich ein nicht finanzierbares Vorhaben.
Die 5 Phasen zur Verkaufsfähigkeit und somit zur Finanzierbarkeit
Phase 1 – die Exit Reife
In der Phase eins sollte festgestellt werden, ob das Unternehmen bereits verkaufsfähig ist und wenn nicht, welche Maßnahmen getätigt werden müssen. Hierbei sollte der Unternehmer sehr kritisch herangehen, denn jede Hausaufgabe, die nicht erledigt worden ist, senkt die Chancen auf einen erfolgreichen Unternehmensverkauf. Folgende Punkte gehören u.a. zur Prüfung in der Phase 1:
- Klare Definition, was verkauft wird. Produkt, Marktposition, Technologie, funktionierender Absatzprozess…
- Schutz des Verkaufsobjekts, wie z.B. sind Kernmitarbeiter stark involviert, Lieferantenverträge, Patente, …
- Attraktivität des Unternehmens; wer hat was von einem Kauf und warum sollte er das Unternehmen überhaupt übernehmen?
- Kann der Verkäufer, Management und / oder Steuerberater einen solchen Prozess überhaupt begleiten?
- Gibt es für die Unternehmensgröße einen Markt (Käufer)?
Phase 2 – die Exit Vorbereitung
In dieser Phase muss der Verkäufer die Defizite aus der Phase 1 ausgleichen und zudem noch weitere Maßnahmen ergreifen.
- Der Unternehmensverkäufer hat den Markt zu beobachten, denn darüber kann man bereits mögliche Käufer herausfinden. Eine solche Marktbeobachtung ist zu dokumentieren, damit in möglichen Verhandlungsrunden auch das Wissen genutzt werden kann.
- Es ist eine Story zu erstellen, indem die Unternehmensstrategie klar definiert ist und zugleich auf den potenziellen Käufer eingeht. Die Käufer können unterschiedlich sein (Stichwort laterale Diversifikation, horizontale Diversifikation und vertikale Diversifikation), so dass auch bei der Story leichte Unterschiede je Interessentengruppe existieren können bzw. sehr häufig auch müssen.
- Schaffung eines Datenraums und Rückverfolgbarkeit des Datenflusses. Eine reine Verschwiegenheitserklärung ist nämlich nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt ist, wenn die Nachverfolgbarkeit nicht lückenlos sichergestellt werden kann. Ein Datenraum kann eine Cloudlösung sein. Es macht auch Sinn, die Daten je nach Fortschritt des Projekts zu kategorisieren und ein Freigabeplan zu erstellen.
- Die Definition des Verhandlungsansatzes. Hierbei ist gemeint, ob es primär um die steuerliche, rechtliche oder finanzielle Betrachtung geht. Unabhängig von der Größe des Unternehmens muss nämlich geschaut werden, wo die größten Hürden sind. Genau diese Hürde ist als absolute Priorität zu definieren und entsprechend auch in allen Unterlagen, Beraterteam etc. zu berücksichtigen. Was nützt es einem Handwerksunternehmen, wenn es aus steuerlicher Sicht perfekt in dieser Phase beraten wird, jedoch die Unterlagen / Unternehmen keine Finanzierung bei der Bank zulässt? Was nützt es, wenn die Interessenten keine Finanzierung für die Übernahme benötigen, jedoch die Unterlagen nur darauf ausgerichtet sind? Gerade bei großen Unternehmensgruppen als Käufer tritt das Thema Finanzierung etwas in den Hintergrund und das Thema Recht und Steuern wird primär behandelt. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht das jedoch anders aus, denn dort herrscht das Thema Finanzierung. Ein Steuerberater oder Anwalt ist in solchen Fällen folglich nicht immer die beste Wahl, außer er kann im Bereich der Unternehmensfinanzierung regelmäßige Referenzen vorweisen.
Die Phase 1-2 dauert in der Regel 3-9 Monate und ist zudem von der Branche und dem eingeschalteten Beraterteam abhängig.
Phase 3 – Exit Durchführung
Viele Unternehmer bezeichnen diese Phase als die wichtigste Phase bei der Unternehmensübernahme.
„Die Exit Durchführung ist lediglich das Ergebnis der Vorbereitung. Je länger die Phase 3 dauert, desto schlechter ist im Vorfeld gearbeitet worden. Kommt es zu keinen konkreten Verhandlungen binnen 3-6 Monaten, dann ist die Verkaufsfähigkeit des Unternehmens stark anzuzweifeln.“
Markus Hemmelmann
In der Exit Durchführung ist der Unternehmensinhaber bzw. das Management besonders gefragt. Neben den Präsentationen sind Fragen an den Interessenten zu beantworten und auch eine due dilligence zu bestehen. Ein immer beliebterer Teil einer due dilligence ist die sogenannte „Bier due dilligence“. Hierbei verlassen die Verkäufer und Käufer ganz bewusst das Business und verbringen private Zeit in einem gastronomischen Umfeld. Businessanzüge, gewisse Umgangsformen etc. sollen hierbei keinerlei Anwendung finden. Aufgrund dieser Basis sind die nachfolgenden Verhandlungen sehr häufig zielführender und losgelöster.
Sollte der Interessent nach diesen Informationen / Aktionen weiterhin ein Interesse an dem Unternehmen haben, so wird dieses in der Regel mit einem Letter of Intent (kurz LOI) dokumentiert.
Die Frage nach der Finanzierung ist in diesem Punkt ebenfalls zu klären, wobei man keine Finanzierungsbestätigung, Eigenkapitalnachweis etc. verlangen kann. Insbesondere die Verträge stellen eine Basis für eine Unternehmensfinanzierung dar, so dass man erst Phase 4 bewältigen muss, damit der Interessent eine Unternehmensfinanzierung final beantragen kann. Sollte das Unternehmen mittels Eigenkapital finanziert werden, so kann eine allgemeine Bankbestätigung dienlich sein.
Die Garantienerklärungen sind in der Regel die höchste Hürde in dieser Phase. Der Käufer möchte am liebsten alle möglichen Garantien haben und der Verkäufer am liebsten überhaupt keine abgeben. Eine Lösung kann in dieser Phase auch eine W&I Versicherung sein, die jedoch in der Phase 2 hätte beantragt werden müssen. Bei der Warranty & Idemnity Versicherung wird die persönliche Haftung des Verkäufers begrenzt bzw. ausgeschlossen. Versicherungsnehmer ist jedoch der Verkäufer und somit hat der Verkäufer auch eine entsprechende Vorleistung zu tätigen.
Phase 4 – Exit Closing
In der Regel werden die Verträge verhandelt und darin sind aufschiebende Bedingungen enthalten, wie z.B. Zwischenbilanzen, Vorlage rechtlicher Unterlagen, Verzicht von Vertragspartnern auf Change of Control Klauseln…
Sobald alle Punkte geklärt sind, wird an einem definierten Tag die Wirksamkeit gegenseitig erklärt und der Deal gilt als geclosed.
Je kleiner das Unternehmen, desto enger (zeitlich) sind die Phase 3 und 4 verbunden.
Phase 5 – Exit Abwicklung
Sobald alle juristischen und finanziellen Dinge geklärt sind, sollte das Unternehmen mit der Kommunikation anfangen und die Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten informieren. Hierzu sollte eine klare und verbindliche Kommunikationsstrategie entwickelt werden, an der der Verkäufer und der Käufer arbeiten. Ein üblicher Brauch ist auch das sogenannte Closing Dinner mit allen beteiligten Personen.
Unternehmensfinanzierung bei einer Übernahme
Das Thema der Unternehmensfinanzierung bei einer M&A Transaktion sollte primär den Verkäufer interessieren und nicht den Käufer. Sehr häufig bekommt man zu hören, dass es zwar viele Interessenten gab, aber es zu keinerlei konkreten Gesprächen kam.
In der Regel liegt es schlichtweg an den schlechten Verkaufsunterlagen und Ansprache. Der Kaufpreis sollte daher nicht nach den persönlichen Wünschen gehen, sondern mit Hilfe einer anerkannten Bewertungsmethode ermittelt (in der Regel Ertragswertmethode oder DCF Methode, wobei DCF Methode die gängigste Methode ist) werden. Jede Bewertung bietet Verhandlungsspielraum und wenn ein Unternehmer mit diesem Wert nicht einverstanden ist, dann müssen weiterhin Hausaufgaben erledigt werden, damit das Unternehmen am Stichtag x den gewünschten Wert aufweist.
Jeder ermittelte Unternehmenswert sollte zugleich mit einer Umkehrrechnung geprüft werden. Ist die Kapitaldienstfähigkeit ausreichend, um das Unternehmen komplett zu finanzieren und ist die Auslastungsquote des Kapitaldienstes nicht höher als 70%, dann hat man einen realistischen Kaufpreis angesetzt.
An diesem Punkt scheitern häufig Steuerberater und Rechtsanwälte, denn aufgrund der Ausbildung setzen diese Personen andere Prioritäten. Es sollte daher nicht heißen, Steuerberater, Rechtsanwalt oder Unternehmensberater, sondern welche Aufgaben kann jeder von den drei genannten Gruppen übernehmen.
Ist die Finanzierbarkeit des Unternehmens gewährleistet und eine korrekte Marktanalyse inkl. Ansprache erfolgt, dann werden qualitativ hochwertige Anfrage kommen und konkrete Verhandlungen aufgenommen.
Jedem Verkäufer muss klar sein, dass dieser Zustand unerlässlich ist und Geld und Zeit beansprucht.
Unternehmensfinanzierung bei Unternehmenskäufen
Jeder Käufer muss sich die Frage stellen, wie man einen Unternehmenskauf finanziert. Hierbei gibt es diverse Ansätze, jedoch eine komplette Finanzierung mittels Investoren wird nicht funktionieren bzw. in den aller wenigsten Fällen. Ein Investor benötigt Anteile, die durch Skalierung entsprechend an Wert zunehmen und bei einem weiteren Exit auch ausreichend Ertrag abwerfen.
Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen bietet sich somit in der Regel ein öffentliches Darlehen einer Landesbank, der KfW oder mit Hilfe einer Landesbürgschaft (Bürgschaftsbank) an. In dieser Phase sollte auch ein Blick auf das zu übernehmende Unternehmen geschaut und die Finanzkommunikation der letzten Jahre berücksichtigt werden. Hat das Unternehmen eine ordentliche Bankbeziehung und kennt die Bank das Unternehmen gut, dann sollte diese Bank neben der eigenen Hausbank 1. Wahl sein. Hierbei sollte man jedoch auch darauf achten, wie groß die Bank ist, denn manche Volumina sind für kleinere Banken schlichtweg ein zu hohes Einzelrisiko.
Wir von der HEMMELMANN CONSULTING nutzen sehr häufig die Bürgschaftsbank. Bürgschaftsbanken sind sehr kompetent und kooperativ. Zudem haben Bürgschaftsbanken den Vorteil, dass man bei positivem Feedback eine maximale Aufmerksamkeit der angefragten Bank bekommt.
Welche Anfrage hört sich besser an?
- Sehr geehrte Damen und Herren, wir die Firma Muster A GmbH möchten gerne die Firma Verkauf B GmbH übernehmen und haben hierzu bereits mit der Bürgschaftsbank gesprochen. Frau Müller hat bereits ein positives Feedback gegeben, so dass wir nun gerne mit Ihnen über mögliche Optionen reden möchten…
- Sehr geehrte Damen und Herren, wir die Firma Muster A GmbH möchte gerne die Verkauf B GmbH übernehmen. Gerne würden wir hierzu mit Ihnen zum Thema Unternehmensfinanzierung…
Ob es im Zweifel mit Hilfe der Bürgschaftsbank realisiert wird oder vielleicht doch mit einem KfW Darlehen inkl. Haftungsfreistellung wird, wird in der Regel mit der Bank im Dialog geklärt. Die Bürgschaftsbank in Kombination mit einem klassischen Bankdarlehen (kein öffentliches Darlehen) bietet natürlich maximale Freiheit für beide Parteien. Wenn die Flexibilität keine große Rolle spielt, dann ist man bei dem KfW Darlehen in der Regel sehr gut aufgehoben. Hierzu werden in der Regel der KfW Unternehmerkredit, das ERP Startgeld … genutzt.
Wieviel Eigenkapital wird verlangt?
Eigenkapital ist grundsätzlich immer gut, jedoch weiß auch jede Bank, dass das Einbringen von Eigenkapital ggf. auch die Liquidität belastet. Es ist daher genau zu schauen, ob das Eigenkapital tatsächlich Eigenkapital ist oder ob es eher der freien notwendigen Liquidität entzogen wird. Eine Vollfinanzierung wird von der KfW nicht ausgeschlossen, Bürgschaftsbanken wünschen jedoch in der Regel ca. 15% Eigenkapital.
Was kann man machen, wenn das Eigenkapital nicht vorhanden ist?
Wie bereits geschrieben verlangt die KfW nicht zwingend Eigenkapital, jedoch wird es auch bei der KfW gern gesehen. Sollte Eigenkapital fehlen, so kann der Käufer diesen Umstand wie folgt lösen:
- Verkäuferdarlehen über die 15%
- Mezzaninekapital, z.B. über die Bürgschaftsbanken
- Business Angels
- Liquidität reduzieren, Betriebsmittel finanzieren (z.B. Mikrodarlehen, Betriebsmitteldarlehen…) oder Factoring und Finetrading
Es klingt verrückt, aber in der Vergangenheit haben wir mehrfach das Darlehen zum Unternehmenskauf um 15% mittels Eigenkapital reduziert und parallel dazu ein Betriebsmitteldarlehen über 15% des Kaufpreises beantragt und realisiert. In der Summe ist das Fremdkapital identisch, lediglich die Mittelverwendung „geändert“.
Welche Rolle spielt der Verkäufer bei der Finanzierung?
Der Verkäufer spielt eine sehr große Rolle, denn wenn die Basis nicht stimmt, dann kann der Käufer auch nichts machen. Eine Suche nach einem derartig liquiden Käufer kann eine Option sein, jedoch mit sehr geringen Aussichten. Aus diesem Grund sollte jeder Verkäufer folgende Dinge erledigen, damit eine große Anzahl an möglichen Käufern das Unternehmen auch tatsächlich kaufen können:
- vollständige Unterlagen vorbereiten; optimalerweise Businessplan
- realistische Unternehmensbewertung
- Verkäuferdarlehen mit ggf. Bürgschaftslösungen prüfen
- Hausbank involvieren
- ausreichend Zeit einplanen
- Beraterteam zusammenstellen, nicht nur den jahrelang bekannten Steuerberater
Wer diese Dinge nicht erledigt, wird in der Kaufpreisverhandlung die entsprechende Abstufung bekommen. Im worst case bedeutet das ein Scheitern der Verkaufsverhandlungen.
Die HEMMELMANN CONSULTING berät in der Regel die Käuferseite und wir können aus einer Vielzahl an Transaktionen sagen, dass das Thema Finanzierung vor dem Thema Steuern und Recht geklärt sein sollte. Jeder kann den Selbstversuch einmal wagen und bei nexxt change 10 Unternehmen aus der eigenen Branche (bundesweit) anschreiben und nach den Details fragen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass bei Deals bis 2 Mio. EUR fast 80% unzureichende Unterlagen haben. Auch die Frage nach dem Unternehmenswert und deren Ermittlung wird häufig mit „persönlichen Bedarf / Wunsch“ geäußert. Eine derartige Methode kann und wird nicht funktionieren.
Fazit
Verkäufer haben die oben genannten Punkte zu beachten und entsprechend vorzubereiten. Im Umkehrschluss kann die Käuferseite diese Punkte abklären und Schwächen für die Vertragsverhandlung nutzen bzw. häufig auch Schnäppchen am Markt erzielen.
Wer von der Thematik Unternehmensverkauf / Unternehmenskauf keine Ahnung hat, sollte sich entweder intensiv über Monate einarbeiten oder aber mit Hilfe eines Beraters das Thema angehen.